Dieser Artikel über meine späte ADHS-Diagnose entstand, als ich noch keine fachärztliche Begleitung hatte. Er zeigt den Beginn des grundlegenden Selbstbild- Wandels, der inzwischen Monate andauert.
Alles begann mit der üblichen Frage:
WARUM ???
Yo, Mit-Seelen.
Es ist Februar 2025 und ich muss akzeptieren, dass bei mir AD(H)S vorliegt. Möglicherweise auch Autismus – sicherlich aber Neurodivergenz.
Beschäftigung mit der Thematik, gründliche Recherchen und einige sehr erhellende YouTube-Vorträge erzeugen in mir eine Kette von Aha-Momenten, die mich sicher sein lassen, dazu zu gehören.
Momentan bin ich also dabei, mir „meinen Stempel zu holen“:
Mit 49 Jahren möchte ich die offizielle ADHS- Diagnose in den Händen halten, und das ist gar nicht so einfach, wie ihr sicher wisst.
Vermutlich wisst ihr außerdem, wie schnell man einen Platz bei Diagnoseberechtigten findet …
Bürokratische Schritte
(1 1/2 Jahre Wartezeit sind nicht besonders ungewöhnlich.)
Die psychologische Institutsambulanz (PIA) hilft – jedenfalls im ZAK – nicht.
In Reutlingen gibt es eine Uniklinik, die aber bei einem Lebensalter von 45 Jahren nach oben hin abriegelt. Ich bin zu alt für deren Diagnose.Es ist schon komisch, dass ich – der ich mich noch vor 2-3 Jahren sehr dagegen sträubte, in der ADHS- oder Autismus-Schublade zu landen – jetzt genervt davon bin, es nicht schnell genug Schwarz auf Weiß zu haben.
Heute aber hole ich meine Überweisung ab.
Dann wende ich mich unter 116 117 an den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Sinnvollerweise steht auf der Überweisung der extra dafür vorgesehene Code. Diesen muss ich der Person am Telefon geben, damit sie mir überhaupt helfen kann.
Dann wird mir mitgeteilt werden, welcher Psycho-Doktor den nächsten freien Termin hat.
Persönlicher Hintergrund
Ich war in meinem Leben schon 2 Mal nach einem Umzug in der Warteliste für nen Therapieplatz. Nach A: 8 Monaten und B: 12 Monaten saß ich dann bei jemandem, der erstmal eine ordentliche Anamnese machte. Dann wurde mir gesagt, dass ich keinen „direkten“ Therapieplatz bekäme –
er/sie mir aber JETZT eine FACHRICHTUNG empfehlen würde, da mir das am Besten hülfe.
Ein paar Namen von Kollegen in der Nähe gab es auch, DA solle ich einen Termin machen.
HALLO?! ICH HAB ADHS!? Warten ist langweilig, nervt und hat ein erstaunliches nicht-Dopamin-Potential!
„Aber Strider! Warum ist dir das Diagnose-Papier denn so wichtig?“ höre ich euch rufen; drängelnd und schubsend, um nur ja keine Äußerung von meinen Lippen zu verpassen.
Gütig nicke ich und mahne euch zur Geduld, während ich meine Pfeife stopfe.

"Wir ADHS-ler" sind nur ein Teil der Gesamtmenge "Neurodivergenz". Das sind etwas mehr als 2 Millionen Menschen – allein in Deutschland.
Also .... warum?
Ich möchte Ritalin ausprobieren. Das geht nur mit Rezept.
Zwar bin ich davon überzeugt, dass dies Aufmerkblabla-Dings nur deshalb als Störung gilt, weil das alte Gen, das für eine Normvariante meines Gehirns sorgt, schlecht in die heutige Gesellschaft passt. Die Veränderungen von Mandelkernen und Frontalhirnen sind jedoch messbar. Nachweisbar. Es gibt logische Begründungen für die Reizoffenheit, Neigung zur Depression etc.
ADHS ist nicht NEU, sondern war unbemerkt Teil einer Vielfalts-Normalität. Jetzt ist es veraltet. Ein Anachronismus.
- Pro Diagnose -
Mir wäre durch Außenwirkung klar, dass ich mir nicht nur Mist über mich selbst einrede.
Einen für mich passenden Fachmenschen zu finden stellt sich mit Diagnose sicher einfacher dar. Was für Neurotypische gut funktioniert, könnte für mich Umweg oder Sackgasse sein.
Es könnte dazu führen, dass Medikation
– mein Suchtverhalten sich verändert
– meine Depressionsneigung verschwindet
– ich eine Sättigung mit Dopamin empfinde, die ich sonst durch drastische Lebensumstände erfahre.
Ich halte es für seriös, als „wir ADHS-ler“ sprechen zu können.
Die Diagnose gäbe mir eine Form von Legitimation.
- Contra Diagnose -
Ich lasse mich auf das Spiel des Gesundheitssystems ein.
Ich riskiere mit Medikation eine unauthentische Veränderung.
Ich fixiere mich auf einen Zettel und erschaffe mir ein künstliches Bedürfnis.
Ich kopple mein öffentliches Ansehen daran.
Neurodiversität, ADHS, Autismus – das sind meine aktuellen Topthemen. Mehr Aufklärung halte ich für erforderlich, da in unserem Gesundheitswesen bezüglich Neurodiversität massive Mängel herrschen.
Während ich nun also profundes Wissen aufbaue, um nicht zuletzt auch in meine Berufung zu kommen, erkenne ich hoffentlich jeden Tag besser, wie ich das Potential dieses „alten Gens“ für mich und andere erschließen kann.
… und so … beginnt es also.